Portrait der Kulturagentin Rebecca Koellner

16. Oktober 2012
Kulturagentin Rebecca Koellner

Zwischen Hochkultur, Wabi-sabi und gemütlichen Dorfschulen

Von Rebecca Koellner

 

„Ich weiß nicht mehr, in welchem Magazin oder Zeitung ich ein Interview mit Hortensia Völckers las, ich weiß nur noch, dass es um die Bedeutung von Kunst und Kultur in der Gesellschaft ging und Frau Völckers von dem Plan sprach, Kulturagenten an Schulen einsetzen zu wollen. Ich wurde hellhörig: Das klang passend für mich und genau nach meinem Geschmack!“Zu diesem Zeitpunkt, als ich den Artikel über das Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ las, war ich im Kulturbüro der Stadt Konstanz als stellvertretende Leiterin angestellt. Für mich stand eine Veränderung an – das spürte ich. Ich wusste, dass ich die Anforderungen der Stellenausschreibung erfüllen kann: ich kann gut vernetzen, mit anderen ins Gespräch kommen und habe gute Ideen.

 

Manchmal ein Maserati

Ich bin in Baden-Baden tätig, einer Stadt der so genannten Hochkultur. Sie zählt rund 55.000 Einwohner und – nicht wenige – sind mit gut gepolstertem Portemonnaie ausgestattet. Mir kann es daher gut passieren, dass das erste Fahrzeug, das mir in der Innenstadt begegnet, ein Porsche ist, wenn nicht ein Maserati. Von dieser Stadt wusste ich zum Programmstart wenig. Mir war jedoch bekannt, dass es viele hochrangige Kulturinstitutionen gibt. Sie reihen sich wie eine Perlenkette an der weltbekannten, schönen Lichtentaler Allee und der Altstadt entlang: Museum Frieder Burda, Staatliche Kunsthalle, LA8 Museum, Theater Baden-Baden und weiter unten das Festspielhaus.

 

Nicht additiv sondern integrativ

Mein Netzwerk besteht aus der Theodor-Heuss-Werkrealschule (THS), der Werkrealschule Lichtental und der Realschule Baden-Baden. Die THS liegt im Stadtteil Briegelacker. Hier wohnen Familien, die oftmals finanziell nicht so gut gestellt sind. Armut gebiert eine Menge Probleme, die an dieser Schule, neben anderen Problemen, aufgefangen werden müssen. Die THS bietet den Schülerinnen und Schülern daher viel an, auch bei der Nachmittagsbetreuung namens „Theos Treff“. Der Rektor betont: „Mich interessiert auch, was die Schülerinnen und Schüler nach dem regulären Unterricht machen.“ Wenn ich an die Werkrealschule Lichtental denke, fällt mir die entspannte Atmosphäre ein. Der Schulleiter der Werkrealschule Lichtental kann Aufgaben delegieren und gibt der Kulturbeauftragten viel Entscheidungsfreiraum. In der Realschule Baden-Baden kam kürzlich eine Lehrerin auf mich zu und schlug vor, das Thema Wabi-sabi zu bearbeiten. Wabi-sabi ist eine japanische Philosophie, bei der Imperfektion im Mittelpunkt steht. Ich bin von dieser Projektidee begeistert.

Mein Ziel ist es, Projekte nicht additiv zu konzipieren, sondern in den Schulalltag zu integrieren. Die Schulen können auf diese Weise einen sinnvollen und nachvollziehbaren Weg zur kreativen Öffnung gehen. Nach rund einem Jahr Tätigkeit ist der Alltag routinierter geworden: Ich entwickele mit den allesamt engagierten Kulturbeauftragten Projekte, von denen wir meinen, dass sie individuell, passend und umsetzbar sind. Ich besuche Baden-Badener Kulturinstitutionen, die sehr offen gegenüber den Wünschen und Anforderungen der Schulen sind. Manchmal fahre ich auch an die Außenstellen der Schulen. Hier gibt es sie noch, die kleinen gemütlichen Dorfschulen, mitten in der Ortenau.

 

Kinder führen Erwachsene

In dem vergangenen Jahr habe ich festgestellt, dass Netzwerkanträge viel Zugkraft haben. Daher bin ich sehr zufrieden mit dem ersten großen Projektantrag, den meine Schulen gestellt haben: Das Theater Baden-Baden und ein Regisseur werden mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus allen drei Schulen ein Theaterstück entwickeln, das während der Feierlichkeiten zu „150 Jahre Theater Baden-Baden“ aufgeführt werden soll. Flankiert wird dies mit vielen Theater-Workshops. Die Realschule wird eine Bläserklasse aufbauen, angestoßen durch das Kulturagenten-Programm. Die Lichtentaler werden mit dem Museum Frieder Burda kooperieren. Ein Baustein wird sein, dass Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer durch die Ausstellungen führen werden. Die Theodor-Heuss Schule wird sich um die Außenmauer ihrer Schule kümmern. Diese soll neu gestaltet werden und zwar in Zusammenarbeit mit einem lokalen Künstler und der Porzellanmanufaktur Karlsruher Majolika.

 

Bewegung tut gut

Die Baden-Badener Kulturinstitutionen wurden seitens der Stadt über mein Eintreffen vor rund einem Jahr sorgfältig vorbereitet. Ich konnte natürlich nicht mit allen ein Projekt, das Hand und Fuß hat, sofort durchführen. Trotzdem ist es gelungen, viele Kontakte zu knüpfen und die Zusammenarbeit anzustoßen: Ob die Clara-Schumann-Musikschule, die Philharmonie, die Staatliche Kunsthalle, das Museum Frieder Burda, das Kulturhaus LA8 Museum, die Karlsruher Majolika, das Theater Baden-Baden oder einige Künstlerinnen und Künstler.

 

Schülerinnen und Schüler gehören ins Rampenlicht

Auch wenn es nicht immer leicht ist, Widerständen zu begegnen, so sind es viele positive Erlebnisse, die Mut machen. Dazu gehört beispielsweise unsere erste Netzwerkausstellung im Januar 2012. Unter dem Motto „Was verstehst du eigentlich unter Kunst und Kultur?“ zeigten die Schülerinnen und Schüler in der Sparkasse Baden-Baden ihre Arbeiten. Es half dem Ansehen der Ausstellung, dass der Bürgermeister und einige Leiterinnen und Leiter der verschiedenen Institutionen zur Vernissage kamen. Das hat die Schülerinnen und Schüler bestärkt, die Lehrerinnen und Lehrer überzeugt und mir Freude und Zuversicht für die Zukunft des Programms gegeben.

 

Zur Person:

Rebecca Koellner, geboren in York, England, studierte nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin Bildende Kunst in Saarbrücken und Kassel und war Meisterschülerin bei Norbert Radermacher. Sie nimmt an Ausstellungen im In- und Ausland teil. Zu ihren vielfältigen beruflichen Erfahrungen gehört auch die Tätigkeit als Kunstlehrerin. Rebecca Koellner arbeitet als Kulturagentin in Baden-Baden an den Schulen Realschule Baden-Baden, Theodor-Heuss-Schule und Werkrealschule Lichtental.

Kontakt: rebecca.koellner@kulturagenten-programm.de


Kontakt

  • Landesstelle "Kulturagenten für kreative Schulen Baden-Württemberg"
  • Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg e.V.
  • Nils Hoheußle, Leitung
  • Rosenbergstraße 50
  • 70176 Stuttgart