Universität Gießen legt erstes Programmmonitoring des Programms „Kulturagenten für kreative Schulen“ vor

18. Oktober 2013

Pünktlich zur Halbzeit des Programms „Kulturagenten für kreative Schulen“ hat die Justus-Liebig-Universität Gießen ihr erstes Programmmonitoring vorgelegt. Befragt wurden Schulleiterinnen und Schulleiter, Kulturbeauftragte, Kulturagentinnen und Kulturagenten, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer u.a. zur Rolle der Kulturagenten, zu Fort- und Weiterbildungsbedarf der Lehrerschaft, zu realisierten Kooperationen mit Künstlerinnen und Künstlern Kultureinrichtungen sowie zum Einfluss der Kunstgeldprojekte auf den Unterricht bzw. auf die Schulakteure. Wir haben die Programmleitende Geschäftsführerin Sybille Linke zu den wichtigsten Ergebnissen des Berichts, der Rolle der Kulturarbeit an den Schulen sowie zu weiteren „Tiefenbohrungen“ in der Programmlaufzeit befragt.

Kristin Bäßler: Im September hat die Justus-Liebig-Universität Gießen ihr erstes Monitoring des Programms „Kulturagenten für kreative Schulen“ vorgelegt. Gibt es Ergebnisse, die Sie überrascht haben?

Sybille Linke: Prof. Abs und Prof. Stecher und ihr Team bezeichnen den Zwischenbericht als „multiperspektivische Momentaufnahme des Programms“ und weisen darauf hin, dass aus den im Zwischenbericht dargestellten Befunden noch keine verlässlichen Schlussfolgerungen über Erfolg und Misserfolg des Programms gezogen werden können. Dennoch freue ich mich über gewisse Trends, die bereits ablesbar sind, und von denen mich einige in der Tat überrascht haben.

Zunächst ist es erfreulich, dass sich die Kulturagentinnen und Kulturagenten und Schulleiterinnen und Schulleiter am häufigsten von allen Akteuren vor Ort zum Programm austauschen. In Anbetracht der Fülle der Aufgaben der Schulleitungen und der insgesamt begrenzten Zeit in Schulen finde ich es begrüßenswert, dass Schulleitungen die kulturelle Profilbildung an ihren Schulen zur „Chefsache“ machen. Denn um diese kulturelle Profilierung geht es ja im Modellprogramm und bei der Arbeit der Kulturagenten. Die von den Forschern gestellte Frage, inwiefern hierzu nicht weitere Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern eingebunden werden müssten, sollte uns Ansporn sein. Ich teile die Einschätzung, dass dies ein Entwicklungsziel nicht nur des Programms, sondern insbesondere der teilnehmenden Schulen sein müsste.

Kulturarbeit ist sowohl während der inhaltlich-künstlerischen Konzeptphase als auch bei der Durchführung einzelner Projekte zu einem erheblichen Teil Kommunikationsarbeit, und auch der organisatorische Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Dass diese Aufgaben zukünftig auf mehr Schultern verteilt werden sollten, ist eine Erkenntnis, die mir auch die Kulturagenten aus ihrer Arbeit berichten und die nun durch die Forscher gestützt wird. Die Kulturagenten, Kulturbeauftragten und andere engagierte Schulakteure treffen sich schon jetzt regelmäßig in Kulturgruppen oder -teams. Für dieses Engagement wird Zeit und Wertschätzung benötigt.

KB: Ein Ziel im Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ ist der Aufbau von Kooperationen zwischen den Schulen und Kulturinstitutionen. Was hat sich im Rahmen des Kulturagentenprogramms seither in den Schulen verändert?

SL: Sehr erfreut habe ich die Trendmeldung zur Kenntnis genommen, dass sich die Anzahl schulischer Kooperationen mit Künstlern und Kultureinrichtungen seit dem Jahr 2011 „nahezu verdreifacht“ hat und dass von den neuen Kooperationen mehr als zwei Drittel durch die Kulturagentinnen und Kulturagenten initiiert wurden – wir arbeiten also erfolgreich an der Umsetzung eines wesentlichen Programmziels. Die Kulturagentinnen werden von Prof. Abs und Prof. Stecher als „zentrale Strukturinnovation des Programms“ bezeichnet. Dazu gehört meines Erachtens auch die Funktion der Kulturbeauftragten. Das heißt, dass es in den Programm-Schulen zuständige und verlässliche Ansprechpartner für Kultureinrichtungen gibt und dass diese professionelles Know-how vorhalten, wie sich Kooperationen anbahnen und verstetigen lassen. Ein Ergebnis des Zwischenberichts ist zudem, dass die von den Kulturagenten „vermittelten Kooperationen insgesamt ein höheres Maß an Institutionalisierung“, meistens in Form von schriftlichen Vereinbarungen, aufweisen. Ein Meilenstein auf dem Weg zur kreativen Schule ist darüber hinaus die konzeptionelle Arbeit am so genannten Kulturfahrplan, in dem schon vorhandene oder angestrebte Kooperationen als fester Bestandteil eines kulturellen Profils beschrieben werden. In folgenden „Tiefenbohrungen“ wird zu prüfen sein, was genau eine erfolgreiche Kooperation ausmacht und wie diese zu verstetigen ist. Diese Überlegungen werden auch in den Schulen und Kultureinrichtungen angestellt und sie sind Kernstück unserer bundesländerübergreifenden Arbeitstagung im Herbst.

KB: Ein Ergebnis des Programmmonitorings ist der überragende Fort- und Weiterbildungsbedarf bei der Gesamtlehrerschaft in den Bereichen kreatives Lehren und Lernen im Unterricht sowie im Bereich des fächerübergreifenden Unterrichts in Bezug auf Kunst und Kultur. Welche Maßnahmen leiten Sie daraus für die Umsetzung des Programms in den kommenden zwei Jahren ab?

SL: Ich finde es wichtig, dass dieser Bedarf erst einmal beschrieben wird, und zwar von denen, die jetzt und zukünftig künstlerischen Herangehensweisen in den Schulen die Türen öffnen: die Lehrerinnen und Lehrer, die Kulturbeauftragten und die Schulleiter. Unser erklärtes Ziel ist es, Kunst und Kultur in allen Bereichen der Schule (also selbstverständlich auch im Unterricht) zu implementieren. Das Modellprogramm kann gute Beispiele liefern, wie in Projekten fächerübergreifend gearbeitet wird, wie kreative Lehr- und Lernmethoden zur Anwendung kommen und wie eine sich gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit von Künstlern, Kunstvermittlern und Pädagogen innerhalb und außerhalb des Unterrichts funktioniert. Im Modellprogramm gibt es auch Mittel für künstlerische Workshops für Lehrerinnen und Lehrer. Wir können zeigen: Es geht! Schlussfolgerungen und mögliche Ideen zur Weiterqualifizierung in diesem Bereich werden dann andere ziehen und entwickeln, z.B. in der Lehreraus- und Fortbildung.

KB: Hinsichtlich der Rollen der Kulturagenten kommen die Evaluatoren zu dem Schluss, dass die befragten Schulleiter, Kulturbeauftragten und Kulturagenten die Rolle der Kulturagenten am häufigsten als eine Art „Kunst- und Kulturagentur“ ansehen. Wie schätzen Sie dieses Ergebnis hinsichtlich der sehr umfassenden Aufgaben der Kulturagenten ein? Muss sich das Berufsbild des Kulturagenten weiter schärfen?

SL: Hier gilt es zu differenzieren, zwischen den Aufgaben und dem professionellen Selbstverständnis der Kulturagenten, den Zielsetzungen des Programms und den Erwartungen der Akteure in den Schulen. Betrachtet man die Ergebnisse im Einzelnen, dann steht die Kontaktvermittlung zu Künstlern und Kultureinrichtungen in der Tat ganz weit oben, und zwar bei allen Befragten. Das abgefragte Spektrum ist aber viel breiter, so wie auch die tatsächlichen Aufgaben vielfältiger sind. Und auch diverse für das Selbstverständnis der Kulturagenten bestimmende Merkmale wie „Berater zur Qualität in der Umsetzung von Kunst- und Kulturprojekten“, „Moderator für den Dialog zu Kunst und Kultur in der Schule“ oder auch „Themenfinder“ und „Kurator für künstlerische Projekte an Schulen“ finden ja bei Kulturbeauftragten und Schulleitern durchaus Zustimmung. Wir sollten berücksichtigen, dass der Zeitpunkt der Erhebung ganz wesentlich zur Einschätzung von Rolle und Aufgabe der Kulturagenten beigetragen haben könnte. Denn nach gut einem Jahr im Programm waren die Schulen vermutlich noch eher auf die Kontaktanbahnung durch die Kulturagenten angewiesen als jetzt. Diese Aufgabe wird nach meiner Einschätzung in Zukunft wesentlich stärker von den Schulen selbst wahrgenommen werden, während die künstlerische und thematische Impulssetzung durch schulexterne Profis (Kulturagenten, Künstler, Kunstvermittler) weiterhin eine notwendige und willkommene qualitative Unterstützung bleiben wird.

KB: In einem Jahr wird die Universität Gießen ein weiteres Programmmonitoring durchführen, um u.a. den Einfluss und die Veränderungen durch das Kulturagentenprogramm in den beteiligten Schulen ablesen zu können. Welche Antworten erhoffen Sie sich von dem zweiten Bericht?

SL: Für mich stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie können wir als Programm aus den Forschungsergebnissen lernen? Was lernen alle beteiligten Akteure daraus? So wird ja von den Forschern z.B. ein systematischer Austausch zwischen den Schulen als sinnvoll erachtet. Daran schließen sich dann aber auch die Fragen an: Worauf können die Kulturagenten vor Ort in den Schulen und Kultureinrichtungen tatsächlich Einfluss nehmen? Und wo gibt es strukturelle Rahmenbedingungen, die zwar beschrieben, aber nicht so einfach verändert werden können? Wir werden nach diesem ersten Programmmonitoring noch einmal unsere Ziele, aber auch die Potentiale, die von den Forschern aufgezeigt werden, in den Blick nehmen. Wir laden Prof. Abs und Prof. Stecher in unsere Akademie und auf unsere schon erwähnte Tagung ein, so dass Forscher und Programmakteure miteinander ins Gespräch kommen.

Kontakt

  • Landesstelle "Kulturagenten für kreative Schulen Baden-Württemberg"
  • Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg e.V.
  • Nils Hoheußle, Leitung
  • Rosenbergstraße 50
  • 70176 Stuttgart