5 Fragen an ... den Kulturagenten Carsten Cremer

21. November 2018 | Berlin
© Enno

Warum bist Du Kulturagent geworden?
2011 arbeiteten wir, das Büro für urbane Kommunikation, gemeinsam mit dem Künstlerkollektiv Pony Pedro, bereits an der Schnittstelle von Kunst und Politik. Wir beschäftigten uns intensiv mit der (Rück-)Aneignung des öffentlichen Raums mit künstlerischen Mitteln wie Leerstandsbespielung, dem Bau von Anwohnergärten oder der Organisation kleiner Musik- und Theaterfestivals. Mein Aufgabenfeld lag hauptsächlich in der Konzeption, Organisation, Abrechnung und Prozessbegleitung. Unser Arbeitsschwerpunkt lag auf der Zusammenarbeit mit Nachbarschaftszentren. Und schnell wurde mir klar, dass künstlerische Projekte mit Jugendlichen einen besonderen Reiz für mich hatten – sowohl in der Zusammenarbeit als auch in den Ergebnissen. Als dann das Quartiersmanagement Gropiusstadt mir die Ausschreibung der Stelle als Kulturagent weiterleitete, habe ich mich einfach darauf beworben.

Wie sieht Dein Arbeitstag als Kulturagent aus?
Obwohl ich mich nicht als Dienstleister für Schulen sehe, versuche ich doch, künstlerische Projekte auch von der Schulperspektive her zu denken. Das heißt, dass ich nach Möglichkeiten suche, die Projekte an bestehende Strukturen zu knüpfen. So verhindere ich, dass sie als bloßes Add-on gesehen und abgelehnt werden. Besonders deutlich wird dies vielleicht am Oberstufenzentrum Bekleidung und Mode. Hier bringt die Schule das Material und das künstlerische Thema gleich mit: Textil. Dann können wir am Thema Textil aktuelle künstlerische sowie politische Diskurse zu verhandeln: wie beispielsweise die Aneignung von Mustern, das Copyright, die Globalisierung, Genderthematiken wie Zuschreibung der Textilkunst als weiblich usw. Diese Themen sind zwar nicht Teil des Curriculums, aber sie lassen sich sehr schön damit verbinden.

Was war Dein schönstes Erlebnis als Kulturagent?
In der Schule am Staakener Kleeblatt, die ich im Modellprogramm begleitet habe, trafen die beiden Soundkünstler Marc Weiser und Gregor Pfeffer auf Jugendliche, die es zunächst schafften, auf keine Frage zu antworten. Eine Doppelstunde lang. Beim Folgetermin haben die beiden Künstler ebenfalls mindestens 30 Minuten nichts gesagt. Im Anschluss entspann sich eine ehrliche und offene Diskussion über die Institution Schule und wie diese es schafft, Schülerinnen und Schüler verstummen zu lassen. So entstand ein Film über die Schule der Zukunft mit tanzenden Bunkern und einer Zeitreise in Tierkostümen. Zur Realisierung musste eine Bühnenbildnerin und eine Kamerafrau engagiert werden. Wie bei jeder Großproduktion wurde das Budget gesprengt. Aber alle waren höchst zufrieden.

Welche drei Schulen betreust Du im Rahmen des Landesprogramms Kulturagenten für kreative Schulen Berlin und was zeichnet diese aus?
Ich betreue zwei Oberstufenzentren und ein Gymnasium. Die Oberstufenzentren (OSZ) zeichnen sich dadurch aus, dass hier nicht nur die Institution Schule, deren Zeitstruktur und vieles andere mehr zu beachten sind, sondern auch die der Ausbildungsbetriebe. Dort verbringen die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der dualen Ausbildung drei Tage in der Woche. Kulturelle Bildung in diesen dualen Ausbildungsgängen zu verankern, ist eine Herausforderung, die wir jetzt im letzten Programmjahr angehen wollen. Am OSZ Handel 1 ist es meine Aufgabe, die Schule bei der Erstellung eines Konzeptes zu begleiten, das dann eventuell auf alle Oberstufenzentren angewandt werden kann. Am OSZ Bekleidung und Mode liegt mein Schwerpunkt auf den vollschulischen Ausbildungsgängen wie Modedesignern, Assistenten oder berufsqualifizierenden Lehrgängen. Mit dem Carl-Friedrich-von-Siemens Gymnasium arbeite ich an der Frage, was eine Referenzschule Kultur ausmacht. Diese Schule begleite ich seit Beginn des Modellprogramms 2011.Wenn man bedenkt, dass damals die Schule kurz vor der Abwicklung stand, kann man wunderbar nachvollziehen, wie kulturelle Schulentwicklung wirken kann. Heute sind die 7. Klassen vierzügig und Eltern melden ihre Kinder zahlreich für das Kulturprofil an.

  
Mit welchen Kulturinstitutionen und Künstlerinnen und Künstlern planst Du zusammen zu arbeiten und wo willst Du mit Deiner Arbeit Schwerpunkte setzen?
Am Carl-Friedrich-von-Siemens Gymnasium gibt es seit letztem Schuljahr neben dem Sprach- und dem NaWi-Profil ein Profil Kultur. Schülerinnen und Schüler, die das Profil Kultur wählen, arbeiten vom 7. bis 9. Jahrgang mit immer denselben Kulturinstitutionen und freien Künstler*innen zusammen. Die Konzepte dafür werden aber in einer innerschulischen Zusammenarbeit der Fachbereiche Ethik, Kunst und Geschichte entwickelt. So geht beispielsweise der Arbeit der Kulturklasse mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM) eine zweijährige Konzeption eines Angebots zu Flucht und Vertreibung voraus, das nicht in der Kulturklasse, sondern für die Kulturklasse entwickelt wurde. Dieses Angebot ist übrigens für alle Klassen deutschlandweit  ab Sommer 2018 als Regelangebot des DHM buchbar. Geplant für das kommende Schuljahr ist eine Kooperation mit dem Museum für Naturkunde zum Thema: Geschichte der Tierrechte.
Im OSZ Handel ist der Schwerpunkt Theater, sowohl im Sinne von anwendbaren Techniken im Kundengespräch, als auch im Sinne des künstlerischen Forschens in der Institution Schule. Besonders spannend ist zur Zeit die Arbeit im OSZ Bekleidung und Mode. Hier forschen wir gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Berlin zur Geschichte des Hausvogteiplatz, bis Mitte der 1930er Jahre das Herz der Berliner Textilproduktion. Vielleicht verrate ich an dieser Stelle ein Geheimnis: Die Schule gestaltet mit den Kuratorinnen des Humboldforums die dortige Ausstellung zu Berlin als Modestadt. Eröffnung ist hoffentlich im kommenden Jahr.


Kontakt

  • Landesstelle "Kulturagenten für kreative Schulen Berlin"
  • Gemeinnützige Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH (DKJS), Regionalstelle Berlin
  • Manuela Kämmerer (Programmleitung) Christine Florack (Programmleitung)
  • Tempelhofer Ufer 11
  • 10963 Berlin
Tel
030 / 25 76 76 -609 // -604
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