„Kulturagentenprogramm schafft die Möglichkeit anderer Herangehensweisen“ – Interview mit der marcel-breuer-schule in Berlin Pankow

17. April 2013

Gemeinsam mit der Kulturagentin Eva Randelzhofer macht sich die marcel-breuer-schule in Berlin Pankow auf den Weg, die aktive Auseinandersetzung mit Kunst, Kultur und Architektur in ihrer Schule stärker zu verankern. Davon soll die gesamte Schule profitieren. Um diesen Prozess in Gang zu setzen, hat die Kulturagentin Folke Köbberling vom Künstlerduo Köbberling & Kaltwasser angesprochen, die nun vom 29. April bis zum 3. Mai 2013 gemeinsam mit den Schülern und Lehrern auf dem Schulgelände der marcel-breuer-schule eine temporäre und funktionale Installation realisieren wird. Über das Projekt, die Zusammenarbeit mit der Künstlerin und warum eine Kulturagentin Gold wert sein kann, sprachen wir mit dem Schulleiter Holger Sonntag, der Kulturbeauftragten Rahel Böhlke und der Kulturagentin Eva Randelzhofer.


Kristin Bäßler: Seit 2011 nehmen Sie am Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“ teil und seither entwickeln Sie mit Ihrer Kulturagentin Eva Randelzhofer künstlerische Projekte. Eines davon ist das Projekt „dreidimensional“. Worum geht es da genau?

Rahel Böhlke: Uns ging es darum, einen künstlerischen Prozess in der Schule in Gang zu setzen, an dem die gesamte Schule teilhat. Angefangen haben wir zunächst mit der Bespielung einer zweidimensionalen „Wochenwand“, bei der es um die partizipatorische Gestaltung einer Fläche ging, die von Schülern künstlerisch bespielt werden konnte. Als Nächstes kann dann die dritte Dimension dazu kommen: von der Fläche in den Raum. Zusammen mit der Künstlerin Folke Köbberling haben wir eine Rauminstallation entwickelt, die nun baulich von den Schülern umgesetzt werden wird.

Eva Randelzhofer: Mit der Wochenwand wollten wir partizipatorisch etwas aufbauen, was für eine Berufsschule eine große Herausforderung darstellt: 2.000 Schüler lernen hier längstens drei Jahre. Ein nachhaltiges Wir-Gefühl herzustellen ist aufgrund der Fluktuation nicht immer leicht.

Böhlke: Die Grundidee war, dass wir die Schüler, aber auch die Kollegen mit ins Boot holen, sich kreativ mit ihrem Schulumfeld zu beschäftigen und sich etwas einfallen zu lassen, das das tägliche Umfeld bereichert. Wir haben stellvertretend für jede Abteilung je eine Klasse ausgesucht, mit der wir zunächst einen Entwurfswettbewerb zu diesem Projekt gestartet haben. Danach wurde die Arbeit, die die Schüler geleistet hatten, präsentiert und von einer Jury, die von außerhalb der Schule kam, begutachtet. Mit den Empfehlungen der Jury sind wir dann in den Lehrerworkshop gegangen, wo das Kollegium und die Leitung die Ergebnisse der Schülerarbeit weiterentwickelten. In einem dritten Schritt wurden die verschiedenen Ideen zusammengetragen und von einer Schülergruppe die endgültige Form der begehbaren Skulptur entworfen, die dann in einem Holzmodell im Maßstab 1: 25 nachgebaut wurde.

Randelzhofer: Es gab zu Anfang keine feste Vorstellung darüber wie der Prozess abzulaufen hat. Die Dramaturgie der Workshops hatten wir situativ entschieden. Daraus ist ein Dialog zwischen Schülerschaft, Lehrerschaft und auch der Schulleitung entstanden. Das war ein sehr gelungener Prozess. Es ist ein Dialog entstanden und das war das Entscheidende. Im Dialog gab es auch keine Hierarchie. Die Arbeit war sehr konstruktiv, die Ideen wurden diskursiv konkretisiert. Das Ergebnis war also eine Art Schnittmenge.

Bäßler: Wie war die Zusammenarbeit mit der Künstlerin Folke Köbberling und welche Rolle hat Eva Randelzhofer als Kulturagentin dabei gespielt?

Randelzhofer: Dadurch, dass Folke Köbberling eine bestimmte Arbeitsweise mitbringt und eine sehr angenehme Persönlichkeit hat, sind ihr hier die Herzen zugeflogen. Die Zusammenarbeit hat super geklappt.

Holger Sonntag: Und auch Frau Randelzhofer hat ihre Kulturagenten-Rolle in unserem Haus immer sehr aktiv und deshalb von Beginn an erfolgreich wahrgenommen. Mit einer Qualität, die man innerhalb dieses Programms wunderbar erleben, erfahren und deshalb hoffentlich auch nachhaltig implementieren kann: Anregungen einzubringen, Kontaktmöglichkeiten zu finden und Kontakte herzustellen. Es kommen seither zunehmend Anfragen und Hinweise von Kultureinrichtungen, von Künstlergruppen, von Künstlerinnen und Künstlern, die mit uns Gespräche über eine eventuelle Zusammenarbeit führen möchten. Ich vermute, dass das u.a. ein Resultat unserer Teilnahme am Kulturagentenprogramm ist.

Bäßler: Hatte Folke Köbberling auch mit den Lehrern zusammengearbeitet?

Böhlke: Ja. Mit allen Beteiligten, also mit Schülern, Lehrern und die mit Leitungsverantwortlichkeit betrauten Kolleginnen und Kollegen.

Bäßler: Wie war die Bereitschaft der Lehrer, sich auf die Ideen einer Künstlerin, die von außen kommt, einzulassen?

Sonntag: Der Großteil der Kolleginnen und Kollegen ist es gewohnt, rational, naturwissenschaftlich geprägt an Dinge heranzugehen. Das Kulturagentenprogramm schafft die Möglichkeit einer anderen Herangehensweise. Und diese schafft neue Perspektiven, neue Sichtweisen und neue Erfahrungen. Ich glaube, dass das die Sichtweise auf die eigene Arbeit immer wieder erfrischend anders macht und dass Erfrischendes auch wieder neue Impulse für die eigene Arbeit einbringen kann.

Bäßler: Und wie haben die Schüler auf die Zusammenarbeit mit Frau Köbberling reagiert?

Böhlke: Die Arbeit mit ihr fanden sie per se sehr interessant, weil Frau Köbberling eine künstlerische aber auch eine sehr professionelle Herangehensweise hat und sie auch ganz konkrete Möglichkeiten vorgestellt hat, wie man an so eine räumliche Installation herangehen kann. Das war einfach eine Bereicherung für uns alle.

Bäßler: Oftmals wird beklagt, dass für Kunst und Kultur im Schulalltag manchmal gar nicht so viel Zeit bleibt. Wo sehen Sie speziell an Ihrer Schule Freiräume für die nachhaltige Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur?

Sonntag: Bisher ist noch gar nicht richtig im Fokus, was die kulturelle Bildung für Möglichkeiten gerade für ein Berufsbildungszentrum eröffnet. Mit einer rein pragmatischen Sichtweise auf logische Prozesse sind wir nicht auf dem Weg, der uns in der gesamten Menschheit wirklich weiterbringen kann. Deswegen wünsche ich mir, dass man das kreative Potenzial des Kulturagentenprogramms in möglichst vielen Bereichen als Erweiterung der Denkprozesse mit aufnehmen kann.

Böhlke: Als Lehrerin hier an der Schule kann ich sagen, dass hier immer Raum gegeben wird für künstlerische und kulturelle Projekte. Das ist wirklich von der Schulleitung gewünscht und das spürt man auch.

Randelzhofer: Das Besondere an dieser Schule ist auch, dass hier Projektarbeit unkompliziert umgesetzt werden kann, da im Regelunterricht auch projektbezogen in einem zeitlichen Rahmen von mindestens 1,5 Tagen gearbeitet wird. Das hat man sonst an anderen Schulen nicht. Hier sind die Zeitfenster einfach optimal.

Bäßler: Und wie überzeugen Sie die Kollegen?

Sonntag: Zum einen mit meiner eigenen Überzeugung, die ich auch immer offen und transparent nach außen transportiere, indem ich mich jederzeit auch Streitgesprächen stelle. Außerdem versuche ich, meine Kollegen Dinge erleben zu lassen, die bestätigen, wie interessant und wie spannend es eigentlich ist, sich einem Problem mal auf anderer Ebene zu widmen.

Bäßler: Welche Rolle spielt dabei die Kulturagentin?

Böhlke: Ich kann vielleicht als Kulturbeauftragte sagen, dass ich jede Menge durch die Zusammenarbeit mit Eva Randelzhofer lerne. Ich hoffe, dass wir dieses Wissen hinterher nutzen können, um weiterzuarbeiten. Allein schon die Kontakte, die Frau Randelzhofer mitgebracht hat, sind Gold wert.

Sonntag: Aus meiner Sicht ist es von unschätzbarem Wert, wenn eine externe Person in die Schule kommt und andere, neue Fragen stellt. Diese Fragen zeigen nämlich immer auch ungelöste Probleme oder nicht ausgestandene Entwicklungsprozesse auf. Ich muss das wirklich mal so sagen, wir haben so ein Glück mit unserer Kulturagentin, die ist einfach eine Wucht.

Bäßler: Wenn es jetzt bereits 2015 wäre, was würden Sie sich wünschen, was sich dann in der Schule verändert haben soll?

Sonntag: Ich wünsche mir, dass ich einen gewissen Gestaltungsspielraum habe, um mit Frau Randelzhofer weiterarbeiten zu können. Außerdem wünsche ich mir, dass wir hier innerschulisch umfassender den professionellen Umgang mit Projekten gelernt haben, sodass wir uns dann immer wieder mal trauen, Dinge anzugehen, deren Ende wir eben noch nicht kennen.

 

Nähere Informationen zum dem Projekt 3dimensional finden Sie HIER


Kontakt

  • Landesstelle "Kulturagenten für kreative Schulen Berlin"
  • Gemeinnützige Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH (DKJS), Regionalstelle Berlin
  • Manuela Kämmerer (Programmleitung) Christine Florack (Programmleitung)
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  • 10963 Berlin
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030 / 25 76 76 -609 // -604
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