Berliner Künstler in der Schule: Magische Momente unterm Nullpunkt

24. Februar 2015

Dass sie als Tänzerin und Choreografin nicht nur Kunst, sondern auch Minusgrade oder Stromkreise vermitteln kann, hätte An Boekman früher nicht für möglich gehalten. Heute steht sie im Rahmen eines Kulturagentenprojekts in den Klassenzimmern der Erika-Mann-Grundschule in Berlin-Wedding und übersetzt trockenen Unterrichtsstoff in flüssige Bewegungen. Für sie und viele andere freie Künstlerinnen und Künstler sind durch das Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“ neue Aufgabenfelder entstanden. 

„Am wichtigsten ist mir, einen gewissen magischen Moment zu kreieren. Die Kinder sollen ein Erlebnis haben, das sie verinnerlichen und mitnehmen“, sagt An Boekman. Im Projekt „Moving the Classroom“ geht sie insgesamt in acht Klassen und übernimmt jeweils drei Unterrichtsstunden zu einem Thema, das gerade ansteht. Mal tanzt sie den Kindern thematisch passende Bewegungen vor, mal erarbeiten die Schülerinnen und Schüler eine eigene Choreografie. Als es beispielsweise um Minusgrade ging, sprangen die Kinder vom Tisch. „Die Tischkante war der Nullpunkt und darunter befanden sich die Minusgrade. Das ist eine sinnliche Art des Lernens“, erklärt Boekman.

Das Projekt ist ebenso wie der Vorgänger „Learning bei Moving“ eine Forschungsreise. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie können wir durch physisches Erleben Lerninhalte vermitteln? „Wir haben auch ein körperliches Gedächtnis, das wir als Speicherort nutzen können“, sagt Boekman. Dieses zu erforschen, ist nicht nur für die Schule, sondern auch für die Künstlerin Pionierarbeit: „Ich muss Neues entwickeln und sehr aufmerksam mit dem umgehen, was ich schon kann – und mich dem stellen, was ich noch nie gemacht habe. Das ist sehr spannend!“

Das Kulturagentenprogramm hat zu einer Weiterentwicklung ihrer Arbeit geführt: „Ich finde es sehr erfrischend, dass neue Ansätze und Formate entwickelt werden und andere Formen der Zusammenarbeit entstehen. Das schützt mich vor Routine und einem Ausruhen auf der langjährigen Erfahrung, die ich vielerorts gemacht habe.“

Seit zehn Jahren gehört An Boekman zum Künstlerpool des TanzZeit e.V. und geht in Schulen, um Tanz als Lern- und Ausdrucksform zu vermitteln. Über TanzZeit kam auch vor drei Jahren die Zusammenarbeit mit der Erika-Mann-Grundschule im Rahmen des Kulturagentenprogramms zustande. Mittlerweile sind Boekman, der Kulturbeauftragte Martin Kern und die Kulturagentin Anne Krause ein eingespieltes Team. „Wir telefonieren, wir mailen und wir treffen uns immer, wenn es nötig ist.“ Und auch das gesamte Lehrerkollegium ist dankbar und offen für die Zusammenarbeit mit der Künstlerin.

Im Februar startete nun bereits ein neues Projekt, an dem auch An Boekman wieder beteiligt ist: Jeweils vier Künstler, Lehrer und Klassen erarbeiten an vier Tagen in vier Monaten eine eigene Choreografie. Das Besondere am Projekt „TanzImpulse“ ist, dass alle Beteiligten gleichberechtigt sind und ihre eigenen Ideen umsetzen. Die Ergebnisse werden im Sommer beim jährlichen Tanzfestival der Erika-Mann-Grundschule zu sehen sein.

„In solchen zeitlich begrenzten Projekten kann man als einzelner Künstler sehr individuelle und experimentelle Wege gehen“, sagt Boekman. „Das birgt das Risiko des Scheiterns und gleichzeitig das Potenzial, dass ein Wunder geschieht.“ Als Künstlerin begibt sie sich mit Leib und Seele hinein in die Schule und trifft dort auf andere Welten. „Doch gerade aus dieser Reibung kann dann etwas ganz Tolles entstehen.“

 

Hintergrund

Die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern ist ein Bestandteil der künstlerischen Arbeit mit Schülerinnen und Schülern im Kulturagentenprogramm. Während die Kooperation mit Kulturinstitutionen vor allem systemische bzw. strukturelle Impulse setzt, findet die Arbeit mit einzelnen Künstlern auf einer anderen Ebene statt: Sie stehen im direkten Kontakt mit den Pädagogen in den Schulen, sie sind vor Ort und arbeiten an konkreten Projekten oder neuen Unterrichtskonzepten. Diese Zusammenarbeit fördert die Professionalisierung verschiedener Berufsgruppen: von Lehrerinnen und Lehrern sowie Künstlerinnen und Künstlern. Die verschiedenen Möglichkeiten der Kooperation mit Kulturpartnern – mit Kulturinstitutionen und/oder Künstlerinnen und Künstlern – trägt zur Vielschichtigkeit des Kulturagentenprogramms in Berlin bei.


Kontakt

  • Landesstelle "Kulturagenten für kreative Schulen Berlin"
  • Gemeinnützige Deutsche Kinder- und Jugendstiftung GmbH (DKJS), Regionalstelle Berlin
  • Manuela Kämmerer (Programmleitung) Christine Florack (Programmleitung)
  • Tempelhofer Ufer 11
  • 10963 Berlin
Tel
030 / 25 76 76 -609 // -604
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