Kultureinrichtungen, Kulturagenten und Schulen - gemeinsam fechten für die Kunst: Interview mit der Kulturagenten-Gesamtschule Weierheide und ihrer Kulturagentin Anke Troschke

5. Juli 2012 | Nordrhein-Westfalen

"Drei Gesprächspartner in einem Interview vereinen?" Die Journalistin Babette Braun runzelt kurz die Stirn. Dann geht ihr auf, dass das im Prinzip im Kleinen das Kernanliegen des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" ist. Für den Zeitraum von vier Jahren werden 46 Kulturagent/innen an insgesamt 138 Schulen eingesetzt. Die Kulturagent/innen betreuen jeweils ein lokales Netzwerk von drei Schulen. Gemeinsam mit den Schüler/innen, dem Lehrerkollegium, der Schulleitung, Eltern, Künstler/innen und Kulturinstitutionen entwickeln sie ein vielfältiges und passgenaues Angebot der kulturellen Bildung sowie künstlerische Projekte. Darüber hinaus bauen sie langfristige Kooperationen mit Kulturinstitutionen vor Ort auf. Zum Beispiel in Oberhausen. Dieser Herausforderung stellen sich dort unter anderem die Kulturagentin Anke Troschke, die Theaterpädagogin Anke Weingarte und der Schulleiter Herrmann Dietsch. Ein Projekt, drei Erlebniswelten und ein gemeinsames Ziel: Das Streben nach einem kulturellen Profil für die Gesamtschule Weierheide.

Frau Weingarte, Sie sind Theaterpädagogin am Stadttheater Oberhausen. Wie sieht Ihre Arbeit auf das Ziel einer Schule mit kulturellem Profil hin aus?

Das ist unter anderem der Kontakt zur Kulturagentin, Anke Troschke. Ich bin auf sie zugegangen und habe, zum Beispiel, die Zusammenarbeit mit Kunstklassen vorgeschlagen, also zusammen an Bühnenbilder-Entwürfen fürs Theater zu arbeiten. Dafür waren wir aber dieses Jahr zu spät dran. Aber, wir haben dann mit einem Sternmarsch von den Schulen aus zum Theater den Auftakt des Modellprogramms in Oberhausen eröffnet. Im Theater haben die Schulen dann Trommelaktionen, Tanzperformances und Beat Boxen aufgeführt.

Für die Bühnenbild-Idee war es zu spät bedeutet: Ihre Abläufe stimmten nicht mit den Abläufen der Schulen im Rahmen der Kulturagenten überein?

Ja, das war bisher so. Aber, ich habe jetzt so zusagen neue Termine im Kalender: Die Schulen müssen schon im April wissen, was sie im nächsten Halbjahr machen. Aber auch Frau Troschke muss schon im April wissen, was bei uns im nächsten Jahr laufen soll. Dieses Mal hat sich zum Beispiel ergeben, dass sie gerne etwas zum Thema Zeit/Lebenszeit machen wollte und wir das ideale Jugendstück dazu im Programm haben. Da waren wir noch früh genug dran.

Was braucht eine Schule alles für ein kulturelles Profil?

Mehr als eine schöne Aula, einen Medienraum und eine tolle Bibliothek. Also, wenn ein Jahrgang durch kulturelle Projekte in der Fünf ins Theater geht und dann in der Sieben, dann wissen die langsam, wie man sich im Theater bewegt und fühlen sich auch wohl. Die erkennen einen Schauspieler wieder. Die Hemmschwelle sinkt, vielleicht kommen die Jugendlichen dann auch mal alleine. Eine Schule, die da hinleitet hat für mich kulturelles Profil.

Frau Troschke, Sie sind in Ihrer Tätigkeit als Kulturagentin für drei Schulen in Oberhausen zuständig. Durch Frau Weingarte sind sie einem sehr wachen Stadttheater Oberhausen begegnet. Und dann? Haben Sie mit ihr einen Sack voll Ideen gesammelt und sind damit zu den Schulen marschiert?

Ja, richtig. Konkret sind wir dann in Steuergruppensitzungen eingeladen worden. Die Steuergruppe ist ein Gremium, das entwickelt, wie das Profil an der Schule gebildet werden soll. Das wird dann in die Lehrerkonferenz getragen. Es war wichtig, dass wir hier früh Informationen zum Spielplan einbringen konnten. Die Taktung der Schule ist nämlich ganz anders als die des Spielplans. Im Normalfall kommen hier die Infos zu spät.

Wie ist eigentlich Ihre Rolle? Wenn man mal ein Bild aus dem Sport entleiht: Sind sie eher Trainerin oder geben Sie Hilfestellung, wie man das von Handstandübungen kennt?

(lacht) Dann bin ich eher die, die Hilfestellung gibt, den Arm ausstreckt, damit es keinen Handstand mit Überschlag und späterer Bauchlandung gibt. Ich habe genuin eine beratende Tätigkeit. Die Schule muss ihren eigenen Weg finden. Es ist aber auch gut, dass nichts aufgestülpt, sondern von Schülern, Lehrerschaft und Eltern entwickelt wird. Aufgestülpt würde die Kooperation und das Profil wohl nur kurzfristig halten. So ist es nachhaltig angelegt.

Wie begleiten Sie die Schulen denn in der Praxis?

Also, erst mal mache ich Erhebungen, um die Schule kennen zu lernen. Dann stelle ich das Modellprojekt vor: In der Lehrerkonferenz, bei SV-Sitzungen und in Elterngremien. Ich halte mich auch viel in Lehrerzimmern auf. Einmal habe ich mich an einen Tisch auf den Pausenhof gesetzt und ein Kulturagentenschild aufgestellt. Die Lehrer kommen auf mich zu und wir starten mit kleinen Projekten.

Kleine Projekte?

Zu Beginn des Programms bin ich in den drei Schulen durch die Klassen gegangen und habe gefragt "Was ist Kultur?" Die Schüler haben dann Bilder dazu gemalt: Von Fußballspielen, Essen, Kleidung, Statuen, Büchern, griechischen Tempeln ... 60 Stück sind zusammengekommen. Daraus haben wir dann ein Mosaik für die Auftaktveranstaltung im Stadttheater Oberhausen gemacht. So hat das Netzwerken zwischen den Schulen schon begonnen.

Welche Gelingensvoraussetzungen braucht man für das Modellprogramm an den Schulen?

Bereitschaft zur Veränderung! Keep on going! Man muss zu Experimenten bereit sein, den Stundenplan umschmeißen, neue Fächer erfinden, neuen Ideen Raum geben.

Gehen die Lehrer da nicht in die Knie?

Es soll ja nicht ein einzelner Lehrer alles tragen. Meine Erfahrung ist, dass die Lehrer selbst neue Motivation gewinnen. Außerdem haben Burnout-Untersuchungen ergeben, dass Lehrer, die kreative Lehrmöglichkeiten nutzen, dem Burnout eher entkommen.

Herr Dietsch, als Leiter der Gesamtschule Weierheide in Oberhausen, glauben Sie auch, dass der Weg zum kulturellen Schulprofil und die Nutzung kreativer Lehrmöglichkeiten vor dem Burnout schützt?

Naja, jedenfalls hat uns der Aufbruch zum kulturellen Schulprofil in Bewegung gebracht. Wir haben neue Fächer kreiert und auch die Struktur im Schulalltag verändert. Wichtig gegen den Burnout war, dass die Lehrer das nicht noch nebenher machen mussten. Die kreativen Lehrmöglichkeiten haben wir zunächst über die Förderschiene angebunden. Wir setzen sie aber auch zum Teil in Kunst, Englisch und Musik ein.

Was ist für Sie denn eine Kulturschule?

Das ist für mich eine Schule, von der die Schüler und Schülerinnen kulturell profitieren. Ihnen soll der Zugang zur Kultur erleichtert werden. Dazu ist mir die Verknüpfung mit den kulturellen Einrichtungen rund um die Schule wichtig. Die Schule soll auf Nachhaltigkeit hin wirken, dass Kultur auch noch nach der Schule wirkt.

Wie bahnen Sie das an der GS Weierheide an?

Zunächst haben wir die Besonderheit, dass wie den Schwerpunkt "Darstellen und Gestalten" anbieten. Zudem haben wir uns eine Reihe von Projekten ausgedacht. Aber, dann ist uns klar geworden: "Einzelne Projekte machen noch kein kulturelles Schulprofil!". Darum sind wir nun dabei, einen Kulturfahrplan zu entwickeln, in den möglichst viele Jahrgänge mit einbezogen werden.

Mit wem reden Sie da und wer darf mitreden?

Wir haben, gemäß dem Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen", eine Steuerungsgruppe gegründet. Da ist die Kulturagentin Frau Troschke drin, die Elternpflegschaft, die Lehrervertretung und normalerweise auch Schülervertreter. Normalerweise sage ich, weil die Schüler und Schülerinnen zu den Sitzungen manchmal nicht kommen können, weil sie Unterricht oder schulische Verpflichtungen haben. Das müssen wir alles noch besser im Schulprogramm verankern. Diesbezüglich gibt es durch das Modellprogramm immer wieder neue Erkenntnisse.

Welche Rolle spielen die künstlerischen Fächer?

Die sind sozusagen der Motor und der Rest drum herum die Karosserie. Aber, es reicht eben nicht einen Sonderbereich für Darstellen und Gestalten zu haben. In der Sieben überlegen wir jetzt einen Schwerpunkt Tanz im Sportunterricht anzusiedeln. In Englisch soll über Theaterspiel die Sprache erprobt werden.

Hatten da nicht die Kunstfächer Angst, dass ihnen die Felle wegschwimmen?

Ja, doch, solche Diskussionen kamen auch auf. Es ging ja auch um die Verteilung der Fördermittel. Jetzt haben wir die Idee eines Projektergebnisses in Form eines Musicals - das passt dann auch wieder zur Entwicklung eines nachhaltigen Kulturfahrplans.

Welche Rolle übernehmen aus Ihrer Sicht die außerschulischen Kulturpartner?

Für mich sind die vor allem wichtig als Kultur-Kontakt für die Schüler und Schülerinnen. Ihr Mitwirken sorgt für die Verknüpfung. Natürlich bringen die Kulturpartner auch jede Menge Know-how mit. Und  auch nicht unwichtig sie bringen eine Basis mit ein, die mit Geld zu tun hat. Wir kaufen ja deren Dienstleistungen ein. Die lange Zusammenarbeit, aber auch, dass es etwas kostet, trägt zur Verlässlichkeit auf beiden Seiten bei.

Worin sehen Sie den Mehrwert eines kulturellen Profils für die GS Weierheide?

Da könnte man jetzt meinen, ich als Schulleiter denke an mehr Attraktivität und mehr Schüleranmeldungen, ist aber nicht so. Mein Denken geht zu den Schülerinnen und Schülern. Wenn die glauben, dass Kultur eine Rolle in ihrem Leben spielen kann und sie sich so mit dem Raum Oberhausen verknüpfen, dann haben wir einen nachhaltigen Mehrwert erreicht.

 

Das Interview ist erschienen im Newsletter der Fachstelle Kultur macht Schule vom 12.06.2012.

Weitere Informationen finden Sie auf dem Online-Fachportal  www.kultur-macht-schule.de


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