Vom Lehren zum Lernen − künstlerische Lehrerworkshops an Kulturagentenschulen

6. Dezember 2014
Foto: Catriona Shaw

Schwitzende Jungen und Mädchen an Klettergerüsten, auf Turnmatten und dem Schwebebalken sowie ein Sportlehrer in der Mitte – so stellt man sich den Alltag in der Sporthalle einer Schule vor. Heute sitzen die Lehrerinnen und Lehrer auf Bänken. Eine Kamera hängt von der Decke herab, und auf dem Boden ist eine rechteckige Fläche abgeklebt. „Wer hat sich nicht mal gefragt, wie es wäre, in einem Computerbildschirm zu leben?“ fragt Catriona Shaw, Moderatorin und Künstlerin des gooeyTeams. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Malve Lippmann bietet sie an der Europaschule, einer Kulturagentenschule in Herzogenrath einen performativen Lehrerworkshop unter dem Titel „From Flat to Fat“: von der „flachen“ Welt digitaler Medien zu einer räumlichen Erfahrung alltäglicher Mediennutzung, an.

„Wir suchen bewusst andere Räume als das Klassenzimmer für unsere Fortbildungen auf“, so Catriona Shaw. „In den Klassenräumen sind die Geschichten des Schulalltags eingeschrieben. Um sich auf die Suche nach dem eigenen künstlerischen Ausdruck und der Reflexion des alltäglichen Tuns mit Medien zu begeben, braucht es andere Räume. Diese Räume müssen die Interaktion in der Gruppe, aber auch den Rückzug jedes Einzelnen ermöglichen.“

Zahlreiche künstlerische Workshop-Angebote und Initiativen sind im Rahmen des Modellprogramms „Kulturagenten für kreative Schulen“ angestoßen worden. Als Plattform der Begegnung und des Austauschs dienen sie den Akteuren der Systeme Schule und Kultur der Annäherung. Begegnung bedeutet für die Lehrerinnen und Lehrer, Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturinstitutionen, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, aus dem Alltagsgeschehen ihrer Profession herauszutreten zugunsten der Möglichkeit, eine neue, ungewohnte Perspektive einzunehmen, voneinander zu lernen und sich auch gegenseitig zu beraten. Dies zeigt sich gerade im letzten Jahr des Kulturagentenprogramms, in dem die Lehrerinnen und Lehrer verstärkt das Bedürfnis nach mehr Weiterbildungsmöglichkeiten äußern. Nach den bisherigen Erfahrungen während der Laufzeit des Programms sind dem Landesbüro NRW drei Typen und Themenschwerpunkte aufgefallen, die im Folgenden mit Beispielen aufgezeigt werden:

1. zur Kontaktaufnahme zwischen Schule und Kultur

2. zu künstlerischen Methoden im Fachunterricht und

3. zum eigenen künstlerischen Arbeiten und Erleben sowie zur Schulung der Wahrnehmung von Kunst.

Zum einen handelt es sind dabei häufig um ein- bis zweitägige künstlerische Workshops, die innerhalb des Kulturagentenprogramms Teil eines Kunstgeldprojektes sind. Zum anderen sind es Veranstaltungen, die über Kunstgeldanträge hinaus durch die Teilnahme am Programm angestoßen wurden.

Kontaktaufnahme zwischen Schule und Kultur – am Beispiel eines Pädagogischen Tages an der Heinrich-Heine-Gesamtschule Aachen

Im Rahmen des Kulturagentenprogramms initiierten Ulrike Becker, Kulturbeauftragte der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Aachen, und die Kulturagentin Monika Nordhausen einen Pädagogischen Tag mit dem Ziel der ersten Begegnung und zum Kennenlernen von Kulturinstitutionen und Lehrerinnen und Lehrern in Aachen. Die Schulleitung sowie das gesamte Lehrerkollegium von 120 Personen machten sich für einen Tag auf den Weg zu 13 verschiedenen Kultureinrichtungen in Aachen. Entsprechend ihrer Neigungen und Interessen wählten die Lehrerinnen und Lehrer ihre Besuchsorte, darunter z. B. das Suermondt-Ludwig-Museum oder auch das DASDATheater. Ausgehend von dieser ersten Kontaktaufnahme wurden mit diesen Kultureinrichtungen im weiteren Programmverlauf Kunstgeldprojekte durchgeführt. Durch die Möglichkeit, sich im informellen Gespräch vorab besser kennen zu lernen und einen Einblick in die Arbeit des potenziellen Kulturpartners zu bekommen, konnten die Akteurinnen und Akteure beider Seiten Hemmungen und Vorurteile abbauen und eine Vorstellung von einer möglichen Zusammenarbeit entwickeln. Es zeigt sich, dass die Kontaktaufnahme und das persönliche Kennenlernen der Akteure und Institutionen im Feld Kultur und Schule, idealerweise zeitliche und räumliche Freiräume braucht, wie z. B. im Rahmen dieses Lehrerworkshops. Das Zusammenbringen beider Akteursgruppen vor der gemeinsamen Umsetzung eines Projektes bietet eine gute Grundlage für eine längerfristige Zusammenarbeit und verbessert das gegenseitige Verständnis füreinander.

Lehrerworkshops zu künstlerischen Methoden im Fachunterricht

Zur Vermittlung und Sensibilisierung für künstlerische Methoden im Fachunterricht der Lehrerinnen und Lehrer entwickelten einige Kulturagentinnen aus NRW zusammen mit den kulturbeauftragen Lehrerinnen und Lehrern, den Kulturinstitutionen und Künstlerinnen und Künstlern Lehrerworkshops. Dabei wurden zahlreiche künstlerische Formate zu unterschiedlichen Fragestellungen, Kunstsparten und Methoden entwickelt. Die Choreografin Sabine Seume beispielsweise plante einen Workshop, der den Lehrerinnen und Lehrern der Rosa-Park-Schule in Herten methodische Ansätze für die praktische Umsetzung von Bewegungselementen im Unterricht näher bringen soll. Ziel ist es, dass die Lehrerinnen und Lehrer diese ohne spezielle Tanzausbildung in ihren Fachunterricht einbinden können, um durch Abwechslung die Lernatmosphäre zu gestalten. Der Tänzer Joeri Burger bietet an der Martin-Luther-King-Gesamtschule einen Lehrerworkshop zur choreographischen Arbeit an. Außerdem findet ein Workshop zu Methoden eines praxisorientierten Kunstunterrichts mit dem Schwerpunkt Architektur in der Dortmunder Anne-Frank-Gesamtschule statt. Letztgenannter soll die Lehrerinnen und Lehrer aus der Schule raus und rein ins Atelier des Künstlers Matthias Schubert in Dortmund führen. Ziel ist bei all diesen Beispielen immer das Kennenlernen und die Befähigung zum selbstständigen und zielgerichteten Einsatz künstlerischer Methoden im Fachunterricht.

Ein Angebot, das ebenfalls durch das Kulturagentenprogramm angestoßen wurde, ist ein einstündiger, einmal im Monat geplanter Jour Fixe an der Gesamtschule Kaiserplatz in Krefeld zum Thema künstlerische Methoden im Fachunterricht. Gemäß eines partizipativen Ansatzes bringen die Lehrerinnen und Lehrer Themen ihres Fachcurriculums mit und diskutieren unter der Moderation der Kulturagentin Birgitta Heller in einer Kleingruppe von sechs bis acht Lehrerinnen und Lehrern thematische Zugänge mithilfe kreativer Methoden. Ziel ist es, einen Methodenkoffer zu entwickeln, der dem gesamten Kollegium zur Verfügung stehen soll.

Zum eigenen künstlerischen Arbeiten und Erleben sowie der Schulung zur Wahrnehmung von Kunst – am Beispiel eines Lehrerworkshops an der Europaschule Herzogenrath

Zurück in die Turnhalle: 25 Lehrerinnen und Lehrer unterschiedlicher Fächer begaben sich in die Turnhalle der Europaschule in Herzogenrath und setzten sich in einem performativen Workshop gemeinsam mit den Künstlerinnen des gooeyTeams mit Bildschirmmedien und ihrer Nutzung im Unterricht auseinander. Dem eigenen alltäglichen Tun mit Bildschirmmedien künstlerisch nachzuspüren ist ein Ziel, dass das Künstlerduo mit ihren Lehrerworkshops verfolgt. „Die gemachten Erfahrungen beschäftigen die Lehrerinnen und Lehrer häufig sehr nachhaltig“, erzählt Catriona Shaw: „Für mich als Künstlerin ist es spannend zu beobachten, wie sich eine Teilnehmerin nach dem Workshop direkt wieder an ihr Smartphone begibt und plötzlich innehält. 

Das gemeinschaftliche Erleben der Lehrerkollegien, sich in die Rolle der Lernenden zu versetzen, das Sich-Einlassen auf neue, ungewohnte Situationen, nicht zu wissen, wohin etwas führt, sind spannende Erfahrungen, die mit Kunst gemacht werden. „Die Fähigkeit, sich auf künstlerische Prozesse einzulassen, muss geübt werden − bei Schülern und bei Lehrern“, so Shaw.

Zu einer ganzheitlichen Auffassung von kultureller Bildung an der Schule gehört auch das eigene Experimentieren der Lehrerinnen und Lehrer mit dem künstlerischen Ausdruck. Viele der Programmschulen aus NRW haben erkannt, dass das eigene Erleben von Kunst und Kultur in Rezeption und Praxis – angeleitet von Künstlerinnen und Künstlern oder Personen aus Kultur(pädagogischen)Einrichtungen – ein wichtiger Schlüssel ist, um das Kollegium für ein kulturelles Schulprofil und mehr kulturelle Bildung in Schule zu begeistern. So steigen aktuell auch die Anfragen nach Angeboten künstlerischer Lehrerworkshops und entsprechender Fortbildungen. Die Bandbreite der Formate spiegeln zugleich auch die Entwicklungen der Schulen innerhalb des Programms „Kulturagenten für kreative Schulen“ in NRW wider.

Kontakt

  • Landesprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen Nordrhein-Westfalen"
  • Arbeitsstelle "Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW"
  • Küppelstein 34
  • 42857 Remscheid