DAS MILLIONENGRAB – Actionfilm der Stadtteilschule Winterhude

17. Februar 2014
Drei Wochen lang von früh bis spät und auch an den Wochenenden entstand im Sommer 2013 an der Stadtteilschule Winterhude der 23-minütige Action-Film DAS MILLIONENGRAB. Soeben hatte der Film Premiere im ausverkauften Hamburger Club „Uebel & Gefährlich“. Der Kulturagent Matthias Vogel hat mit den beiden künstlerischen Leitern gesprochen: dem Drehbuchautor und Regisseur Thomas Oberlies und dem Filmemacher und Postproduktions-Experten Sebastian Natto.


Matthias Vogel: Erst mal Glückwunsch zu Eurem Projekt „Das Millionengrab“ – das sorgt ja gerade für großes Aufsehen. Seid ihr selbst ein wenig überrascht davon?

 

Sebastian Natto: Das Besondere daran ist, dass es ein Film ist, der an einer Schule entstanden ist, den man aber nicht gleich als Schulfilm ausmacht.

 

Dr. Thomas Oberlies: Es werden wohl relativ wenige Actionfilme an Schulen gedreht. Film und besonders der Genrefilm gilt in Deutschland vielen als Niederkultur. Im Ausland ist das übrigens ganz anders. Dazu kommt, dass wir mit den Schülerinnen und Schülern drei komplette Wochen während der Unterrichtszeit an einem Filmprojekt arbeiten konnten. Das dürfte ziemlich einmalig sein, wir hatten also auch außergewöhnliche Bedingungen.

 

Vogel: Worum geht es in „Das Millionengrab“?

 

Natto: Um Korruption, um Macht, um Liebe und um Explosionen.

 

Oberlies: Mehr wollen wir erst mal nicht verraten. 


Vogel: Der Film sieht wahnsinnig professionell aus. Wie war das möglich?

 

Oberlies: Wir hatten keine besonders professionelle Ausrüstung, sondern haben im Prinzip mit Fotoapparaten gedreht. Die neuen Spiegelreflexkameras machen ziemlich gute Bilder, ohne dass man ausleuchten muss. Wir haben sogar komplett auf Filmlicht verzichtet – bis auf eine kleine Lampe, die kurz blitzt, um das Mündungsfeuer zu simulieren.

 

Natto: Einige Schüler hatten schon Erfahrung mit vergleichbaren Kameras, andere noch überhaupt nicht. Doch niemand hatte Hemmungen, sich selbst mal hinter der Linse auszuprobieren.

 

Oberlies: Außerdem hatten wir recht viel Zeit. In der ersten Woche haben wir mit allen 16 Schülerinnen und Schülern Kameraübungen gemacht. Beim Dreh haben wir bis zu drei Kameras gleichzeitig verwendet. Das hat uns dann beim Schnitt sehr viel mehr Möglichkeiten gegeben.

 

Vogel: Und die Schüler haben die Kameras selbstständig bedient?

 

Natto: Fast immer, ja. Es gab ein paar Einstellungen, in denen aus Sicherheitsgründen kein Schüler die Kamera bediente, wie etwa dann, wenn fahrende Autos im Spiel waren.

 

Oberlies: Ich habe auch noch nie in meinem Leben eine Kamera bedient und habe eher mit den Schauspielern gearbeitet. Natto hat natürlich immer wieder durchgeschaut und erklärt, was man besser machen könnte. Aber letztendlich haben wir uns auf die Schülerinnen und Schüler verlassen.

 

Natto: Viele Aufnahmen haben wir dann erst beim Schnitt das erste Mal gesehen. Sie waren überraschend gut, da waren vielleicht höchstens zehn Einstellungen dabei, die unscharf waren oder unbrauchbar überbelichtet.

 

Oberlies: Auch bei allen anderen Aufgaben – Ton, Ausstattung, Maske, Kostüm – haben wir die Schülerinnen und Schüler machen lassen und höchstens mal korrigierend eingegriffen. Das war wirklich nur als Teamleistung von allen gemeinsam möglich.

 

Vogel: Die Schüler haben auch Teile der Regie übernommen – wie kann man sich das vorstellen?

 

Natto: Die Regie hat im Regelfall den Überblick über den kompletten Film, das heißt, hier immer wieder andere Schüler einzusetzen war sehr viel schwieriger als an Kamera oder Ton. Wir haben dann eher einzelne Regieaufgaben verteilt.

 

Oberlies: Es haben dann zum Beispiel drei Schüler die Aufgabe gekriegt, festzulegen, wie eine Unterhaltung im Auto aufgenommen wird. Dazu haben sie von uns Filmausschnitte bekommen, in denen sich Menschen im Auto unterhalten. Anschließend haben die Schüler skizziert, wo die Kameras stehen müssen und welche Einstellungsgrößen verwendet werden. Nachdem wir das an ein paar Beispielen gemeinsam geübt haben, haben diese Schüler dann am Drehtag bei dieser Szene auch Regie und Kamera gemacht.

 

Vogel: Wie beurteilt Ihr als Profis die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, die das ja fast alle zum ersten Mal gemacht haben?

 

Natto: Nach und nach bekamen wir ein Gefühl für die herausragenden Stärken der einzelnen Schüler. So konnte man z. B. einige kurz instruieren und dann blind darauf vertrauen, dass schöne Bilder eingefangen werden, die man im Schnitt sehr gut verwenden kann. Oder man bekam im Schauspiel sofort, was man für die Szene brauchte. Insgesamt war ich vor allem vom Schauspiel begeistert.

 

Oberlies: Wir hatten ja kein Casting, die Schülerinnen und Schüler standen fest und wir haben ihnen nur die unterschiedlichen Rollen zugewiesen. Ich war verblüfft, wie gut alle in ihren Rollen aufgegangen sind – wir hatten wohl riesiges Glück.

 

Vogel: In dem Film wird mit allen möglichen Waffen geschossen. Wie macht man sowas? Rein praktisch?

 

Natto: Wir hatten uns früh entschlossen, die Waffeneffekte komplett auf die digitale Nachbearbeitung zu verlagern. Die Schülerinnen und Schülern agierten mit Plastikwaffen, der Rest kam hinterher dazu. Das erschien uns praktikabler und flexibler. Und vor allem sicherer.

 

Vogel: Es gibt mehrere Szenen, wo 13jährige völlig selbstverständlich Autofahren und sogar dabei noch aus dem Fahrerfenster schießen. Auch hier die Frage: Wie habt ihr das bloß gemacht?

 

Natto: In einem Film, in dem Kinder Panzerfäuste aus einem Bus abfeuern, ist die Straßenverkehrsordnung auch kein Problem. (Lacht) 

 

Oberlies: Nein – im Ernst: Es ist wie so oft beim Film eine Mischung aus verschiedenen Tricks. Wenn wir z.B. zeigen, wie ein Auto hält und ein Schüler aussteigt, dann fährt und hält natürlich ein Erwachsener, die Kamera ist so gewählt, dass man den Fahrer nicht sieht. Wir haben dann einen Schnitt gemacht, und im nächsten Bild braucht nur der Schüler auszusteigen, was gut geht, wenn die Kamera auf einem Stativ steht und sich sonst nichts im Bild verändert.

 

Natto: Ein anderer Trick war, ein Lenkrad, das wir vom Schrottplatz besorgt hatten, auf der Beifahrerseite zu befestigen. Der Schüler wurde so gefilmt, wie man auch den Fahrer filmen würde, und in der Postproduktion haben wir das Bild dann einfach gespiegelt.

 

Vogel: Drei Wochen lang fast rund um die Uhr mit 16 Schülerinnen und Schülern einen Film zusammen machen: War das auch für Euch eine besondere Erfahrung?

 

Natto: Respekt vor dem Beruf der Lehrer. Auch wenn die Schülerinnen und Schüler super waren; für mich, als Mensch, der viel Stille braucht, war der Dreh auch sehr anstrengend. Dazu kam ja, dass Oberlies und ich uns am Set um alle Kinder kümmerten und kaum eine freie Minute hatten, um unsere Gedanken zu ordnen.

 

Oberlies: Absolut! Es war sehr anstrengend! Aber auch unglaublich beglückend! Unsere Schülerinnen und Schüler ließen sich in 15 Meter Höhe an Seilen aufhängen, haben sich bei Stürzen und Prügelszenen blaue Flecken geholt, lange Drehtage erduldet, komplizierte Texte gelernt und mit Vergnügen gespielt. Sie haben in ungewollten, zermürbenden Pausen, durch Regen oder nervige Jahrmarktschreier, ausgeharrt. Sie sind sogar an ihren spärlich gesäten Pausentagen gekommen. Die Schüler waren unfassbar heldenhaft.

 

Natto: Oft ist der Grund, warum Dinge scheitern oder nicht ihr ganzes Potenzial entfalten können, dass irgendjemand sagt „Das kann man so nicht machen!“. Die Schule hat uns hier große künstlerische Freiheit eingeräumt, dadurch war das Projekt in Hamburg für mich sehr angenehm.

 

Zum Nachhören und Nachlesen:
Die Eröffnungssequenz des Films kann man sich HIER anschauen. Ein ausführliches Interview mit zwei Schülerinnen des Projekts können Sie auf der Seite pb21 der Bundeszentrale für politische Bildung nachhören.


Dr. Thomas Oberlies ist Drehbuchautor und Regisseur. Er ist künstlerischer Leiter des Kurzfilmfestivals ZUM GOLDENEN HIRSCH in Mannheim und Heidelberg. Seine Kurzfilmarbeiten „Flatsch“ oder zuletzt „Arbeit für alle“ liefen auf mehr als 200 nationalen und internationalen Kurzfilmfestivals und gewannen zahlreiche Preise.

 

Sebastian Natto ist freiberuflicher Filmemacher in Heidelberg und macht Visual Effects für Kino- und Fernsehfilme. Seine Regie-Arbeit „Releve“ lief auf rund 100 nationalen und internationalen Kurzfilmfestivals und wurde mehrfach ausgezeichnet.

 

 

Kontakt:

Landesbüro Hamburg "Kulturagenten für kreative Schulen"
conecco UG - Management

Stephan Bock, Leitung
Stresemannstraße 29
22769 Hamburg
Tel 040 / 72 00 444-51
E-Mail: hamburg@kulturagenten-programm.de

Kontakt

  • Landesbüro Hamburg "Kulturagenten für kreative Schulen"
  • conecco gUG Kultur, Entwicklung und Management
  • Ruth Zimmer
  • Stresemannstraße 29
  • 22769 Hamburg

www.kulturagenten-hamburg.de