Im 2. Schulhalbjahr 2012/13 wurde während einer Projektwoche gemeinsam mit Stefanie Schlüter (Filmvermittlerin) und in Kooperation mit dem "Arsenal – Institut für Film und Videokunst" ein weiterer Aspekt des Themas "Vom Raumklang zum Klangraum" erforscht: die Verbindung von Raum, Film und Musik/Klang. Eunice Martins (Komponistin, Stummfilmpianistin) begleitete drei Projekttage unter dem Titel "Was raschelt, rauscht und flötet hier? Eine Entdeckungsreise in die Hörwelt der Filme und des Kinos".
Das Kino ist ein besonderer Klangraum: Hier gibt es Bilder zu sehen, die wie Augenmusik wirken, und Musik zu hören, die Filmbilder zum Tanzen bringen. Töne in allen Variationen (Filmmusik, Live-Klavierbegleitung, Stimmen, Geräusche, Sounddesign...) modellieren Emotionen; der Zuschauer wird zum Resonanzkörper im verräumlichten Ton der Kinotechnik. Obwohl der filmische Ton so wirkungsvoll ist, nehmen Zuschauer ihn selten bewusst wahr. Daher ist es ganz besonders vielversprechend, eine Entdeckungsreise in die Vielschichtigkeit des Filmtons zu unternehmen.
Für den Kinobesucher vor mehr als 100 Jahren gehörten auch die Projektionsgeräusche zum Kinobesuch, weil der Projektor im Kinosaal gestanden hat. Kinder und Jugendliche heute kennen diese Geräusche kaum mehr, denn mechanische Geräusche verschwinden bei digitalen Geräten zugunsten elektronischer. Nicht selten imitieren diese aber noch die mechanischen Sounds analoger Technik. Grund genug, auch diese Spur des analogen Filmtons jüngeren Zuschauern zugänglich zu machen und den Projektor wieder in den Zuschauerraum zu stellen.
Während der Projekttage wurden verschiedene Aspekte des Klangraums erforscht, wobei die Verbindung von visuell und auditiv erfassbarem Ton sowie die physische Erfahrbarkeit (im Raum, anhand des Filmmaterials, mit Klavierbegleitung und Klanginstrumenten) die Schwerpunktthemen bildeten.
Schwerpunkte waren:
1. "Tonableser": Der erste Tag widmete sich dem Filmmaterial sowie der Projektorentechnik. Ein mobiler 16mm-Projektor des Arsenal –Institut für Film und Videokunst reiste ins Klassenzimmer. Auf diese Weise sollten Film und seine Geräuschumgebung physisch im Raum erfahrbar werden. Das Filmprogramm mit Archivfilmen des Arsenal spannte einen Bogen vom stummen Kurzfilm hin zum Tonexperiment. Es gab vieles Anzufassen und Anzusehen, was dem Kinozuschauer normalerweise verborgen bleibt: Eine Rolle analoger Film wurde im Raum ausgerollt und lief – statt durch den Projektor – durch die Hände der Kinder. Dabei wurde auch die Tonspur des analogen Filmstreifens sichtbar. Ein Mädchen lernte in der Vorführpause vom Arsenal-Projektionisten Anselm Heller, einen Film in den Projektor einzulegen, und projizierte sich einen Kurzfilm in die eigene Hand.
2. "Das Rumoren der Archive": Der zweite Tag widmete sich dem Filmarchiv und dem Kino "Arsenal“. Beim Besuch des Archivraums begannen die Kinder auf Eigeninitiative, in einem leeren Regal zu trommeln und erzeugten so ihren eigenen Archiv-Sound. Beim Kinoprogramm ging es um die physische Erfahrbarkeit von Filmton im Raum anhand von kurzen Filmbeispielen, die jeweils einen unterschiedlichen Umgang mit Klängen im Raum entfalteten. Der Film „A Colour Box“ (Len Lye, GB 1935) regte die Kinder spontan dazu an, den Kinosaal zur Diskothek umzufunktionieren: So sprangen einige Kinder aus ihren Sitzen auf und tanzten vor der Leinwand.
3. "Der Klang der stummen Filme": Der 3. Tag widmete sich Elementen der unterschiedlichen Vertonung stummer Filme; die Komponistin und Stummfilmpianistin Eunice Martins gestaltete den Workshoptag "Was raschelt, rauscht und flötet hier? Eine Entdeckungsreise in die Hörwelt der Filme und des Kinos". Es wurde nicht nur viel gesehen und gehört (z.B. Stummfilm mit Klavierbegleitung durch Eunice Martins), sondern auch selbst Hand angelegt: Eine Zauberkiste mit Instrumenten und Geräuschmachern wurde ins Kino geschmuggelt; erste Raumklangexperimente im Kino und außerhalb rundeten das Programm ab. So wurden Sitzhocker im Foyer des Kinos ebenso zum Klanginstrument wie ein Garderobenständer aus Stahl. Mit geschlossenen Augen versuchten die Kinder zu raten, welches Geräusch durch welche Art von Klanginstrument bzw. Alltagsgegenstand erzeugt wurde. Ein Spiel, das durch die Mitwirkung der anwesenden Lehrerin spontan entwickelt wurde und der Sensibilisierung der Kinder gegenüber Geräuschen und Klängen insgesamt dienen sollte.
4. "Hand anlegen an den Ton": In den beiden letzten Workshoptagen fanden auf Grundlage der verschiedenen Inputs aus den ersten 3 Tagen und angeleitet durch Eunice Martins Experimente mit Filmton statt. Einerseits wurde die neu erwachsene Sensibilität gegenüber Geräuschen und Klängen nun auf Filmton angewendet – die Schüler hörten Geräusche und Instrumente aus kurzen Filmen heraus, setzten sich mit Fragen der analogen Klangerzeugung auseinander (z.B. mit Geräuschemachern und gemaltem Ton). Andererseits vertonten die Schülerinnen und Schüler selbst zwei stumme Filme – den Animationsfilm „Gertie the Dinosaur“ von Winsor McCay (USA 1914) und den experimentellen Realfilm „Vormittagsspuk“ von Hans Richter (D 1928). Dabei lernten die Kinder, Filmbild und Ton miteinander zu synchronisieren.
Auch Außerhalb des Kinosaals wurde die Erforschung des Raumklangs fortgesetzt: Das Treppengeländer vor dem Kinosaal wurde mit Holz- und Filzschlegeln bespielt, dabei Gesetzmäßigkeiten der Klangqualität von kurzen und langen Metallstreben des Treppengeländers herausgearbeitet. Schließlich kam es zu improvisierten Kompositionen durch einige Schülerinnen und Schüler. Dabei lernten die Kinder, sich auf ihren Einsatz zu konzentrieren, aufeinander zu hören und auch selbst als „Dirigenten“ ihrer eigenen Improvisation aufzutreten.
Transfer in die Schule: Ein während der Projekttage gemeinsam gesehener Animations-Film, „Fadenspiele II“ von der Berliner Künstlerin Detel Aurand und der Filmemacherin Ute Aurand (D 2003), regte die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schülerinnen und Schüler dazu an, in der Schule einen Stopp-Motion-Film zu drehen und dazu zwei verschiedene Vertonungen aufzunehmen.
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