5 Fragen an ... den Kulturagenten Alexander Müller

13. Juni 2019 | Berlin
© Thomas Solecki
Warum bist du Kulturagent geworden?

Schon in der Schule habe ich mir die Frage gestellt: Wer bin ich und was will ich in meinem Leben Sinnvolles machen? Ist das, was ich hier lerne, alles oder gibt es noch mehr für mich? Meine großen Leidenschaften waren immer: Musik und Gesang. Mit 16 wollte ich Musiker werden! Eine Freundin überzeugte mich, zu einem Casting für ein Musical an unserer Schule zu gehen. Ich hatte noch nie vor einer größeren Menschenmenge gesungen und war ziemlich aufgeregt. Etwas unsicher sang ich „Feeling Good“ von Nina Simone – und bekam eine Rolle. Das war mein Schlüsselerlebnis. Ich entdeckte: Wenn du tust, was du liebst, fühlt es sich leicht und stimmig an! Ich entschied beruflich Musik zu machen. Zusätzlich studierte ich Politik- und Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Kulturelle Bildung. Die Stimme der Vernunft riet mir dazu. Außerdem interessierte es mich seit meiner frühen Erfahrung in der Schule, Kunst und Bildung zusammen zu denken. Das Musikmachen ist aber auch noch extrem wichtig für mich. Kulturelle Bildung hat wahrhaftig mein Leben verändert. Diese Erfahrung möchte ich anderen Jugendlichen auch ermöglichen, deshalb bin ich Kulturagent geworden. Und mittlerweile ist das mein Traumjob.

Was machst du als Kulturagent? Wie sieht dein Arbeitstag als Kulturagent aus?


Jeder Tag ist anders, weil die Arbeit so vielschichtig und unterschiedlich ist. Gerade das ist besonders spannend. In den vergangenen 5 Fragen an …-Interviews haben meine Kolleg*innen bereits viele verschiedene Alltagszenarien beschrieben. Es lohnt sich, diese noch mal zu lesen. Für mich persönlich ist wichtig, die Verbindung zur eigenen Musikleidenschaft nicht zu verlieren. Die eigene Kunst immer wieder auszuleben. Dafür ist leider wenig Zeit – aber das ist für mich elementar. Wenn ich mich Tag für Tag für Kunst an Schule einsetze, muss ich stets vor Augen haben, was Kunst für mich bedeutet und wie sie sich anfühlt. Die Inspiration durch eigenes künstlerisches Tun ist im Alltag für mich fundamental.

Was war dein schönstes Erlebnis als Kulturagent?

Ich habe viele besondere Momenten erlebt; von einem möchte ich erzählen. Schüler*innen der Werbellinsee-Schule haben gemeinsam mit dem Künstler Thomas Wienands in einem Projekt Möbel- und Raumgestaltungen für ihren Klassenraum entworfen. An diesem Projekt war auch eine Willkommensklasse beteiligt. Ein syrischer Vater war durch das Projekt so inspiriert, dass er sich nach der Schule zu Hause mit seinem Sohn einen Entwurf für ein Fantasiehaus im Klassenzimmer überlegt hatte. Am Tag der Präsentation stellten alle Schüler*innen ihre Werke vor – auch Vater und Sohn zeigten der Schulgemeinschaft ihren Hausentwurf. Dass wir durch unser künstlerisches Raumprojekt eine Familie inspirieren konnten – die sich eigentlich gerade mit der Frage nach dem eigenen Zuhause beschäftigte – hat mich sehr berührt.

Welche drei Schulen betreust du im Rahmen des Landesprogramms Kulturagenten für kreative Schulen Berlin und was zeichnet diese aus?

Ich betreue drei Schulen im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Um ihre Besonderheiten zu beschreiben, würde ich gerne Tierbilder verwenden:

Das Robert-Blum-Gymnasium ist für mich wie ein Elefant – die Kulturarbeit dort ist lange gewachsen und steht auf soliden kräftigen Beinen. Die Haut ist dick. Narben erzählen von vielen Kunstprozessen und Präsentationsabenden. Die Arbeit in den Kulturklassen hat sich bewährt, ist gewachsen und zu einem wichtigen Teil der Schule geworden. Dieser gute Elefant ist mittlerweile ein Referenzelefant – und unter den Berliner Elefanten sehr bekannt. Er ist so weise, dass die anderen Tiere gerne die Geschichten von seinen Erfahrungen mit den Künsten hören.

Die Johanna-Eck-Schule empfinde ich als Schmetterling – einmal im Jahr kommt das Tier mit voller Farbenpracht und wunderbaren Mustern aus dem Kokon geflogen. Unterschiedliche Fachlehrer*innen und Schüler*innen experimentieren jährlich damit, Unterrichtsthemen mit künstlerischen Mitteln auf die Bühne zu bringen. Diese Präsentationsabende, die wir mit diversen Klassen und Künster*innen auf die Beine stellen sind jedes Jahr das bunte, schwirrende Highlight.

Die Werbellinsee-Grundschule gleicht einem Fischschwarm im offenen Meer – Konzepte werden groß angelegt. Es sind immer zahlreiche Schüler*innen an den Kunstvorhaben beteiligt. Das erschwert manchmal die Organisation und macht es schwer, den Fischschwarm zu navigieren. Aber die große Beteiligungszahl hat bei der Umsetzung eine große Strahlkraft auf die gesamte Schule. Schön ist es, dass im Schwarm eine große Wertschätzung für die kulturelle Arbeit vorhanden ist und gezeigt wird.

Mit welchen Kulturinstitutionen und Künstler*innen planst du zusammen zu arbeiten und wo willst du mit deiner Arbeit Schwerpunkte setzen?


Es ist mir ein Anliegen kleine Veränderungen in den Schulen mit den beteiligten Akteuren auszulösen. Häufig sprechen wir von DEN Schulen, DEN Schüler*innen, DEN Lehrer*innen und DEN Künstler*innen, DEN Kulturinstitutionen und so weiter. Das ist für eine Beschreibung meistens nicht anders möglich – aber wen meinen wir wirklich damit? Wer steckt hinter der Rolle? Wer macht sich die ganze Mühe? Als Kulturagent habe ich die Möglichkeit eng mit den unterschiedlichsten Menschen zusammenzuarbeiten. Visionen kommunizieren und auslösen kann ich am besten im kleinen Rahmen. Da gehen die wichtigen Fragen nicht unter und die Antworten kommen meistens an. Ich glaube, dass Geheimnis unserer Arbeit ist: Dabei zu sein. Herausfordernde Pläne für die Zukunft sind wichtig. Aber der wertschätzende Blick für das Hier und Jetzt und das, was bereits in den Schulen vorhanden ist und täglich geleistet wird sichtbar zu machen, ist die Basis für jeden weiteren Schritt.